BEM-Beratung aus Kassel: Die teuren Konsequenzen eines nicht durchgeführten betrieblichen Eingliederungsmanagements für Unternehmen

Kategorie: Beitrag

Das betriebliche Eingliederungsmanagement nach § 167 SGB IX als „ergebnisoffener Suchprozess“ (Bundesarbeitsgericht) ist einerseits ganz bewusst weit und offen vom Gesetzgeber angelegt, um den sehr individuellen Lebenssituationen erkrankter MitarbeiterInnen gerecht zu werden. Andererseits ist deshalb manches Unternehmen verunsichert in der Anwendung. Hinzu kommt: Der Arbeitgeber initiiert das BEM-Verfahren. Das lädt zu Fehlinterpretationen ein, weil die Rechtsnorm in ihrer Zielsetzung den Mitarbeiter mit der Reduzierung von krankheitsbedingten Fehlzeiten und dem Arbeitsplatzerhalt sowie gemeinsam zu vereinbarenden Zielen und Maßnahmen in den Mittelpunkt stellt.

Es lassen sich häufig insbesondere folgende individualrechtliche Konstellationen innerhalb eines betrieblichen Eingliederungsmanagements in der betrieblichen Praxis beobachten, die für ein Unternehmen folgenreich und kostenträchtig sind:

● Das Unternehmen bietet dem langzeit- oder kurzerkrankten Mitarbeiter, der mit seinen Fehltagen die gesetzliche Auslöseschwelle für ein betriebliches Eingliederungsmanagement erreicht hat, kein BEM-Verfahren an. Beispielsweise, weil das Unternehmen in dem vorliegenden individuellen Fall keine Erfolgsaussicht durch ein BEM erkennen kann.

● Es wird seitens des Betriebes mit Einvernehmen des erkrankten Beschäftigten zwar ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt, aber nicht ordnungsgemäß – ein nicht rechtsicheres BEM.

● Das Unternehmen führt offensichtlich geeignete BEM-Maßnahmen nicht durch.

Besteht eine gesetzliche Verpflichtung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements?

Die gesetzliche Verpflichtung ergibt sich ganz augenscheinlich auch aus Absatz 2, letzter Satz des § 167 SGB IX, indem die Interessenvertretungen, d.h. Betriebsrat, Personalrat oder Schwerbehindertenvertretung bzgl. des betrieblichen Eingliederungsmanagements angehalten werden, ihren Überwachungs- und Kontrollrechten nachzukommen: „Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt“.

Der § 167 SGB IX oder andere Rechtsnormen sehen jedoch keine unmittelbaren Konsequenzen oder Sanktionen für das Nichtanbieten eines betrieblichen Eingliederungsmanagements für das Unternehmen des erkrankten Mitarbeiters vor. Dies und die Tatsache, dass der Arbeitgeber Herr des Verfahrens ist, führt unternehmensseitig bei der Personalleitung oder dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) nicht selten zu der Fehleinschätzung, ob überhaupt und mit welchen Maßnahmen ein BEM-Verfahren zu erfolgen hat, liegt folgenlos allein bei der Unternehmensführung.

Die krankheitsbedingte Kündigung darf stets nur das letzte Mittel sein, Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements sind vorrangig

Mittelbar hat das Nichtanbieten eines BEM-Prozesses jedoch nicht selten sehr wohl erhebliche Konsequenzen. Und zwar beispielsweise dann, wenn es um die krankheitsbedingte Kündigung geht. Nicht wenige Kündigungen sind dann unwirksam, da eine ordentliche Kündigung stets nur Ultima Ratio sein darf und Maßnahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements das mildere Mittel gewesen wären. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist hier seit Jahren kongruent. Viele Arbeitsrechtler empfehlen deshalb, geradezu regelhaft ein BEM-Verfahren anzubieten und bei Interesse und Zustimmung des Mitarbeiters ein BEM durchzuführen. Daraus resultiert dann wiederum eine weitere sich hartnäckig in der betrieblichen Praxis zu beobachtende unzutreffende Einschätzung: vor einer krankheitsbedingten Kündigung müsse zwingend ein betriebliches Eingliederungsmanagement vorgeschaltet werden. Dem ist nicht so.

Unterlassung eines BEM-Verfahrens: Das Unternehmen unterliegt einer umfassenden Darlegungspflicht

Zwar besteht eine gesetzliche Verpflichtung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement, aber es obliegt dem Unternehmen ob und wie es das BEM-Verfahren durchführt – mit allen Konsequenzen! Es gibt durchaus schwere Erkrankungen eines Mitarbeiters, bei denen auch ein betriebliches Eingliederungsmanagement keinen Erfolg zeigen dürfte. Diese Nichtinitiierung eines BEM-Verfahrens adressiert dann jedoch an die Kompetenzen des Personalwesens. Denn fehlt es an einem ordnungsgemäßen Angebot des BEM, ist der Arbeitgeber zur umfassenden Darlegung verpflichtet, warum die Durchführung eines BEM nicht erfolgversprechend gewesen wäre. Unterlässt der Arbeitgeber die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements oder der in diesem Zuge als geeignet in Betracht kommenden Maßnahmen, obwohl diese erfolgversprechend gewesen wären und dem Mitarbeiter entstehen bspw. finanzielle Nachteile durch krankheitsbedingte Einkommensverluste, zieht dies eine Verpflichtung zum Schadensersatz gemäß § 280 BGB nach sich.

Missbrauch des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) wird von den Arbeitsgerichten in aller Regel durchschaut

Die Arbeitsgerichte registrieren in aller Regel sehr wohl, wenn dem betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) ein Feigenblattcharakter zukommt, lediglich formalisiert durchgeführt wird, weil es die eigentliche Intension des Betriebes ist, die krankheitsbedingte Kündigung umzusetzen.

Schwierig ist weiterhin, wenn Unternehmen das BEM an externe BEM-Anbieter vergeben, die ihnen versprechen, ein komplettes externes BEM-Verfahren in sieben oder zehn Stunden abschließen zu können. Das ist nicht nur unseriös, es wird auch von den Arbeitsgerichten durchschaut.

Ein nicht ordnungsgemäß durchgeführtes BEM-Verfahren wird rechtlich wie ein nicht durchgeführtes betriebliches Eingliederungsmanagement gewertet

Führt ein Unternehmen ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) mit schriftlich zu erteilender Zustimmung des erkrankten Mitarbeiters durch, ist die Rechtssicherheit der Durchführung von erheblicher Bedeutung. Denn ein nicht ordnungsgemäß durchgeführtes betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) wird wie ein nicht durchgeführtes BEM gewertet. Eine später erfolgte krankheitsbedingte Kündigung wegen eines angeblich erfolglosen BEM ist dann unwirksam.

Nicht rechtssicheres betriebliches Eingliederungsmanagement: Schon ein nicht ordnungsgemäßes BEM-Angebot an den Mitarbeiter kann alles kippen

Und Haken und Ösen hat ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) einige: von der Einbeziehung verschiedenster Beteiligter, über die Vereinbarung und Umsetzung der BEM-Maßnahmen bis zum Datenschutz. Das beginnt schon ganz zu Beginn des BEM-Prozesses, so dass zu Recht von einem BEM-Einladungsmanagement gesprochen wird. Die gesetzliche Mindestanforderungen an ein BEM-Verfahren in diesem Zusammenhang: Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer auf die Ziele des BEM sowie auf Art und Umfang der hierfür zu erhebenden und verwendeten Daten hinzuweisen.

Das BEM-Erstgespräch erfüllt nicht die gesetzlichen Mindestanforderungen an ein betriebliches Eingliederungsmanagement

Das betrifft auch das BEM-Erstgespräch, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern nicht mitteilt, welche Krankheitsdaten – als sensible Daten im Sinne von § 46 Nr. 13, 14 BDSG-neu – erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden.

Besonders sensibel: der Datenschutz im betrieblichen Eingliederungsmanagement

Es sind nur solche Daten zu erheben, deren Kenntnis erforderlich ist (Zweckbindung), um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes BEM-Verfahren durchzuführen (vgl. ArbG Ulm vom 20.01.17 – 5 Ca 346/16). Fehlt beispielsweise die Einwilligung des betroffenen Mitarbeiters oder ist sie unwirksam, ist eine Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung unzulässig. Geschieht sie dennoch, müssen die Daten gelöscht werden. Außerdem liegt dann eine Ordnungswidrigkeit vor, die mit einem Bußgeld gem. Art. 83 DSGVO von bis zu 20.000.000 Euro bzw. 4 % des weltweiten Jahresumsatzes geahndet werden kann.

Unterlassen geeigneter BEM-Maßnahmen im betrieblichen Eingliederungsmanagement: Schadensersatzansprüche gegen das Unternehmen

Auch auf der Ebene der Durchführung der BEM-Maßnahmen ist einiges zu beachten. § 167 Abs. 2 SGB IX ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 BGB, sodass sich aus dessen Verletzung Schadenersatzansprüche gemäß §§ 280, 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 167 Abs. 2 SGB IX ergeben können. In Fällen, in denen sinnvolle Maßnahmen durch den Arbeitgeber nicht umgesetzt werden, hat der Arbeitgeber Anhaltspunkte dafür zu benennen, dass die vorgeschlagene Maßnahme nicht zu anderen Ergebnissen geführt hätte. Zu den gebotenen Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX gehört z. B. auch die Durchführung einer ärztlich empfohlenen stufenweisen Wiedereingliederung. Allein aus einem Verstoß des Arbeitgebers gegen die Verpflichtung zur Durchführung einer BEM-Maßnahme oder eines betrieblichen Eingliederungsmanagements überhaupt folgt nicht zwingend, dass der Beschäftigte einen Schaden, bspw. durch eine weiterhin andauernde Arbeitsunfähigkeit und entsprechenden Verdienstausfall, erleidet. Und: Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs liegt beim Arbeitnehmer.

Verletzung von Mindeststandards an ein BEM-Verfahren: Das BEM-Gespräch wird teils in Form eines Krankenrückkehrgesprächs geführt

In der Praxis werden BEM-Gespräche teils in Form von Krankenrückkehrgesprächen geführt. Dies widerspricht den Anforderungen des § 167 Abs. 2 SGB IX und den Mindeststandards an ein ordnungsgemäßes BEM, so das BAG in einer Entscheidung vom 10.12.2009. Denn ein Krankenrückkehrgespräch und ein BEM-Gespräch verfolgen unterschiedliche Ziele. Dies wird schon im Grundsatz deutlich: Ein betriebliches Eingliederungsmanagement erfolgt stets freiwillig und nur mit Zustimmung des erkrankten Arbeitsnehmers.

Zusammenfassend: Ein betriebliches  Eingliederungsmanagement setzt erhebliche Kompetenzen voraus. Zu den in diesem Beitrag des Blog mit Benefit! behandelten rechtlichen Kompetenzen kommen nicht zu unterschätzende soziale Kompetenzen hinzu: Der Gesprächsführung und den Gesprächstechniken bei den zu führenden BEM-Gesprächen. Gelingt es nicht oder lediglich unzureichend, eine belastbare Vertrauensbasis zum erkrankten Mitarbeiter aufzubauen, ist ein mehr oder weniger frühzeitiges Scheitern des gesamten BEM-Verfahrens vorprogrammiert.

 

 

Mehr zu unseren externen betrieblichen Eingliederungsmanagement aus Kassel für Nordhessen, Melsungen, Baunatal, Göttingen, Marsberg, Winterberg, Fulda, Hannover, Frankfurt und bundesweit:

https://die-koepfe-entscheiden-den-wettbewerb.de/externes-bem-verfahren/

 

Fotos: © Manfred Baumert / Kassel, 2023

 

Über den Autor

Der Autor ist Absolvent eines MBA-Studienganges und verfügt über ein Diplom der Betriebswirtschaftslehre und der Pädagogik. Mehrjährige Ausbildung und Tätigkeit in der Krisenintervention, verschiedene Positionen als Geschäftsführer und Führungskraft, 10 Jahre lang ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht und seit 2012 Geschäftsführer und Gesellschafter der 2benefit GmbH Personalberatung aus Kassel.

 

 

2benefit GmbH Personalberatung aus Kassel – Die Köpfe entscheiden den Wettbewerb!

 

Führungs- und Fachkräfte gewinnen – stärken – entwickeln

Starke Führungs- und Fachkräfte: Im Leben zählt stets Kann!

2benefit GmbH Kassel – Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) Kassel

 

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) Kassel: rechtssicher – Fehlzeiten verringern – optimierte Wiedereingliederung

 

 

2benefit GmbH Personalberatung Kassel: Recruiting – Human Resource Development – betriebliches Eingliederungsmanagement

Wir bieten Unternehmen deutschlandweit den kompletten Ablauf eines betrieblichen Eingliederungsmanagements mit professionellen BEM-Gesprächen im gesamten Ablauf des externen BEM-Verfahrens an. Damit unterstützen wir das betriebliche Gesundheitsmanagement unserer Unternehmenskunden beim Eingliederungsmanagement, der beruflichen Rehabilitation und beruflichen Reintegration. Wir sind auch externer BEM-Anbieter für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), die nicht über ein betriebliches Gesundheitsmanagement verfügen. Damit leisten wir einen Beitrag für mehr Gesundheit im Betrieb, gegen den Fachkräftemangel und Fachkräfteverlust, für mehr Mitarbeiterbindung, verringern Fehlzeiten, verkürzen Zeiten der beruflichen  Rehabilitation und stehen zur BEM-Maßnahmeplanung und Umsetzungsberatung bei betrieblichem Eingliederungsmanagement zur Verfügung.

 

Externes betriebliches Eingliederungsmanagement, auch mit Schwerpunkt auf erkrankte Führungskräfte und BEMpsy, bieten wir deutschlandweit an. Die 2benefit GmbH Personalberatung Kassel mit ihrem betrieblichem Eingliederungsmanagement hat ihren Unternehmenssitz mit Kassel in der Mitte Deutschlands, der Region Nordhessen, Mittelhessen, Südniedersachen und den Hochsauerlandkreis, Kassel und Landkreis, Schwalm-Eder-Kreis, Werra-Meißner-Kreis, Waldeck-Frankenberg, Kreis Hersfeld-Rotenburg, Marburg-Biedenkopf mit ihren Zentren Bad Hersfeld, Melsungen, Niestetal, Korbach, Baunatal, Fulda, Göttingen, Marsberg, Brilon und Winterberg.

Betriebliches Eingliederungsmanagement mit einem kompletten externen BEM-Verfahren bieten wir mit unseren BEM-Beratern auch in der Metropolregion Hannover und in der Metropolregion Frankfurt an.

Beitrag teilen:

Vorheriger Beitrag
Erfolgreiche Mitarbeiterführung und Dunning-Kruger-Effekt: „Ich bin ein sehr stabiles Genie!“
Nächster Beitrag
FAQ – Fragen zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM), BEM-Verfahren und externem BEM
Portrait: Manfred Baumert

Autor
Manfred Baumert
Personaldiagnostik
Trainer & Recruiter

Xing
LinkedIn
WhatsApp
Skype

Über den Autor

Portrait: Manfred Baumert

Manfred Baumert
Personaldiagnostik
Trainer & Recruiter

Die Köpfe entscheiden den Wettbewerb!

Knappe Ressource Mitarbeiterkompetenz: Mit eignungsdiagnostischer Personalauswahl & Recruiting sowie Trainings und Personalentwicklungsmaßnahmen unterstützt er Unternehmen schwer imitierbare Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Immer nach dem Motto „Technik schlägt Beliebigkeit“ und stets den Benefit für seine Kunden im Fokus.

Die Köpfe entscheiden den Wettbewerb!

Führungskräfte gewinnen – stärken – entwickeln